Marschierender Fisch

Ignaz Staub - ignaz.staub@yahoo.com

Ein seltsamer Fisch versetzt die Bürger der amerikanischen Hauptstadt in Angst und Schrecken.

Es ist eine Geschichte, wie sie nur der Sommer schreibt. Und sogar ein Loch kommt drin vor oder zumindest ein Teich, ein sumpfiger, von Stechmücken heimgesuchter Tümpel. Das nicht so stille, übel riechende riechende Wasser liegt unweit von Amerikas Hauptstadt, wad der ganzen Geschichte schon fast internationale Dimensionen verleiht. Umso mehr, als vorübergehend in Washington Vermutungen aufgekommen waren, der fragliche Teich sei unter Umständen eine Brutstätte für Ökoterrorismus.

Doch erst mal schön der Reihe nach. Die Sache nahm im Mai ihren Anfang, als ein Angler am Ufer des Crofton Pond einen Fisch an Land zog, wie er noch nie einen gesehen hatte. Zwar warf der Mann die Beute ins Wasser zurück, aber nicht, ohne das seltsame Wesen zuvor fotografiert zu haben. Umweltschützer identifizieren den Fisch in der Folge als Nördlichen Schlangenkopf, Channa argus, Cantor 1842 , eine Spezies, die bis zu einem Meter lang sowie über sieben Kilogramm schwer wird und vor allem in China sowie in Südkorea vorkommt, wo sie als Delikatesse gilt. 1
C. argus from JapanTo see that this fish is not one to play around. Channa argus caught in Japan where it is a very popular game fish. It is well-known for its fierceness.

So weit so gut. Doch der Schlangenkopffisch ist kein Fisch wie jeder andere. Er kann das Wasser verlassen, auf seinen Flossen über das Land marschieren und drei bis vier Tage ausserhalb seines angestammten Elements überleben, solange er feucht genug bleibt. Er ist zudem äusserst gefrässig und kann innerhalb kurzer Zeit ganze Gewässer kahl fressen.

Invasion der Schlangenköpfe

Kein Wunder also, dass sich die Behörden des Staates Maryland sehr besorgt darüber zeigten, was geschehen könnte, falls die Schlangenköpfe plötzlich auf Wanderschaft gingen. Und genau hier setzten die Spekulationen ein, wonach finstere Übeltäter die Fische ausgesetzt haben könnten, um die Nation zu terrorisieren: «the invasion of the snakeheads».

Doch seit kurzem weiss man, dss mutmasslich ein Amerikaner asiatischer Herkunft hinter der Geschichte steckt. Der gute Mann hatte vor zwei Jahren bei einer Fischhandlung n New York, zwei Exemplare der Spezies bestellt, um seiner kranken Schwester daraus ein heilsames Süppchen zu kochen. Doch die Frau gesundete, bevor die Fische in Crofton eintrafen, und der fürsorgliche Bruder schmiss die Schlangenköpfe in den Teich, nachdem sie ihm zuhause im Aquarium zu gross und zu gierig geworden waren.

Fische in die Luft sprengen?

All das beantwortet die Frage nicht, wie man die ungebetenen Gäste aus Ostasien - sie vermehrten sich fröhlich - wieder loswerden könnte. Die zuständigen Behörde prüft derzeit verschiedene Optionen, hat sich aber noch nicht für ein bestimmtes Vorgehen entschieden. Zur Diskussion steht unter anderem, den Fischen im Teich einen kräftigen Stromschlag zu versetzen ( «Fry the bastards!» ), sie schlicht in die Luft zu sprengen oder das Wasser des Tümpels zu vergiften.

Auf jeden Fall hat die Option Leer fischen in Crofton bisher nicht geklappt: Ein Angler will ein Exemplar gesichtet haben, das «so dick ist wie eine Golftasche» . 2 Zumindest vorläufig bleibt das wässrige Sommerloch offen.

  1. Externe Bildergallerie zum Schocker von Crofton
  2. Das ganze Thema abgesucht bei Google
  3. Teil 2 der Geschichte (24.7.02)
  4. Teil 3 der Geschichte (10.12.02)

Footnotes

1 Der Autor spricht vom Amur Schlangenkopf und die gegebenen Masse sind kein Anglerlatein. Back

2 So klar wie Klosbrühe: Anglerlatein. Back

Acknowledgement and Source(s)

This text was originally published in: Tagesanzeiger (Zurich), 15.07.02 under the above heading. The author and the copyrightowner have granted snakeheads.org the right to publish it on the org's site. The copyright of the text is still with the owner in full amount. Thank you for it!

© 2001 - 2003 snakeheads.org HOME of this page