Die Kiemenhöhle und das Kiemengerüst bei den Labyrintfischen. Ein klassisches Beispiel von der Variationsfähigkeit der Organe

Paul Ernst Meyer ; Universität Bern

Table of Contents (ToC)

  1. Einleitung
  2. Übersicht über die Litteratur
  3. Disposition meiner Arbeit
  4. Physiologische Versuche
  5. Anatomische Untersuchungen
  6. Histiologischer Teil
  7. Ergebnisse aller Untersuchungen
  8. Litteratur -Verzeichnis

Einleitung

Die gelegentliche Beobachtung einiger den Labyrintfischen angehörender bei uns als Aquarienfische beliebt gewordener Macropoden gab mir mit die Anregung zu vorliegender Arbeit. Ich bemerkte in einem Aquarium, wie unter anderen gewöhnlichen Fischen die Macropoden nach kurzen Augenblicken immer wieder an die Oberfläche des Wassers kamen, um Luft zu schnappen während die anderen Fische sich dauernd in der Tiefe des Bassins aufhielten. Indem mir nicht fremd war, dass die zur Familie der Labyrintici gehörenden Fische oberhalb der Kiemenhöhle accessorische Kiemenorgane besitzen, deren Bedeutung bislang immer noch auf Hypothese beruhte, so be ich, die Labyrintfische zum Gegenstand meiner Untersuchungen zu wählen.

Alle zu dieser Familie gehörenden Fische sind bekanntlich heimisch in den Süsswässern von Ostasien und auf den Inseln des Indischen Archipels. Man trifft sie viel in den Schlammwässern ausgetrockneter Flüsse und Sümpfe. Wenn bei uns et. von den Fischen in Aquarieninstituten gehalten werden, bedürfen diese immerhin einer Temperatur von 15 - 20 °Celsius. Die Macropoden zwar haben sich hier schon etwas acclimatisiert, denn ich fand, sie sind nicht mehr so sehr empfindlich, wie die anderen Arten.

Die eigentlichen Labyrintfische, wozu die Ophiocephalen von einigen Autoren nicht gerechnet werden, sind Fische von mässiger Grösse und erreichen zum Teil die Länge einer kräftigen Manneshand und darüber. Ihr Körper ist ähnlich wie beim Barsch seitlich zusammengedrückt, der Kopf dagegen erscheint besonders bei Anabas und den Macropoden etwas breit und dick, wofür wir unten den Grund im Bau der accessorischen Kiemenorgane kennen lernen werden. Der Kopf ist immer ganz mit Schuppen besetzt, sogar die Kiemenmembranen nicht ausgenommen, die unten miteinander sich vereinigen. Das Maul ist mit kleinen Zähnen besetzt. Die Kiemenöffnungen sind im Allgemeinen eng. Charakteristisch ist weiter, dass die Seitenlinie unterbrochen ist. Am Rücken und Bauch befinden sich in den Flossen zahlreiche Dornen, deren Zahl und Eigentümlichkeiten zur Bestimmung der Species benutzt werden. Das der Familie Eigentümlichste aber ist das schon erwähnte accessorische Kiemenorgan, mittelst dessen die Fische im Stande sind, wenn auch nur beschränkte Zeit ausserhalb des Wassers auf trocknem Boden zu leben, um zum Teil sogar dort auf Beute zu gehen, die aus kleinen Tieren und Pflanzenteilen besteht.

Diese biologisch interessanten Tiere sollen nach Cuvier schon den Griechen bekannt gewesen sein. Theophrast, sagt er, berichtet schon, dass es in Indien Fische gäbe, die auf dem Lande leben, indem sie einige Zeit aus ihren Flüssen und Teichen herausgingen, und dass diese Fische denen glichen, welche die Griechen Myxinos nannten. Sie sind es jedenfalls, von denen seit mehr als 100 Jahren die wunderbarsten Anekdoten aus dem fernen Osten noch heute zu uns herüberkommen. Wer hätte nicht schon von der Kletterfähigkeit des Anabas scandens erzählen gehört und von der Fähigkeit dieser Fische, meilenweite Exkursionen über das Trockene aus einem Wasserbecken in das andere machen zu können?

So lang diese Erzählungen zwar im Gange sind, fehlt es aber noch an wissenschaftlichen Arbeiten, um das in biologischer Hinsicht Tatsächliche bei diesen Fischen einmal festzustellen und dieses zu erklären bezw. die Bedeutung der accessorischen Kiemenorgane mit Sicherheit darzutun. Es liegt der Grund zum Teil darin, dass den interessierten Forschern für ihre Untersuchungen zur Hauptsache nur konserviertes Material zu Gebote stand. jedenfalls sind Dobson und Day die Einzigen, die physiologische Versuche mit lebenden Labyrintfischen gemacht haben.

Mir ist es gelungen, in den Besitz fast sämtlicher Arten von Labyrintfischen zu gelangen und zwar lebender, zum Teil prachtvoller Exemplare, die den verschiedensten Aquarien in Berlin Bern und Zürich entstammten. Das schönste an konserviertem Material erhielt ich reichlich dank der Güte des Herrn Professor Dr. Studer und seines Assistenten Herrn Dr. Volz , der die Fische von einer Reise nach Indien mitgebracht hatte, im Zoologischen Institut der Universität Bern, wo vorliegende Arbeit im Wintersemester 1903/1904 und im Sommersemester 1904 angefertigt wurde.

Es sei mir an dieser Stelle gestattet, Herrn Professor Dr. Studer für Überlassung des interessanten Stoffes und für das Interesse, das er meinen Untersuchungen geschenkt hat, meinen herzlichen Dank auszusprechen, wie ich Herrn Dr. Volz für die gütige Überlassung von dem mitgebrachten Material und Überlassung von Litteratur zu Dank verpflichtet bin.

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Übersicht über die Litteratur

Ausser den beiden genannten Forschern haben zur Hauptsache Cuvier, Peters, Hyrtl und von Zograff sich mit den Labyrintfischen beschäftigt. Die Fische sind seitdem in der Litteratur besonders durch die Arten Anabas, Macropodus, Osphromenus, Polyacantus, Helostoma, Betta und Ophiocephalus bekannt1.

Cuvier war der Erste zu Beginn vorigen Jahrhunderts, der in seiner Histoire naturelle des poissons von der Form der accessorischen Kiemenorgane dieser Fische Beschreibungen gegeben hat. Er sieht das Organ an als eine Umbildung der oberen Schlundknochen des ersten und zweiten Kiemenbogens und beschreibt dasselbe als einen Komplex von leinen, knöchernen Lamellen der wie ein Schwamm Wasser aufzunehmen und zurückzubehalten vermag, um so die Kiemen der Tiere während ihres Aufenthaltes in freier Luft zu befeuchten.

In den fünfziger Jahren stellt Peters 2 fest, dass der Labyrintapparat nicht die umgewandelten Schlundknochen sind, sondern aus einer eigentümlichen Entwickelung des dritten Gliedes vom ersten Kiemenbogen hervorgeht.

Ungefähr zur gleichen Zeit hat Hyrtl in Wien Gefässinjektionen an Ophiocephalen vorgenommen, deren Resultat vor Anderem ihn zu der Behauptung führte, die Ophiocephalen seien ebenso wenig Labyrintfische wie die Hechte.

Der Zeit nach folgen nun die obenerwähnten physiologischen Versuche von Day 3 und Dobson,4 die in die Jahre 1866 bezw. 1877 fallen. Dieselben, mit lebenden Anabas, Ophiocephalen und Polyacantus ausgeführt, ergaben, dass die Lebensdauer dieser Fische im Wasser unter Luftabschluss im Verhältnis zu derjenigen ganz ausserhalb des Wassers an freier Luft sehr kurz ist.

In den achtziger Jahren endlich ist v. Zograff in Moskau der Erste, der den Labyrintapparat an Macropoden histiologisch untersucht hat, um seine Bedeutung im Blick auf die ihm zweifelhaft erscheinende Cuvier'sche Auffassung nochmal zu prüfen. Zunächst beweist er, dass die knöchernen Lamellen kein Wasser zwischen sich behalten können wegen ihres relativ grossen Abstandes von einander. Bei seinen microscopischen Untersuchungen besonders an Macropoden entdeckt er ein gut entwickeltes Capillarnetz mit zu und abführenden Gefässen. Der Befund mache ihn glauben, sagt er, dass der Labyrintapparat ein luftatmendes Organ sei.

Solche Untersuchungen haben dann zwei Schüler von Zograff's vor nunmehr 4 Jahren auf die Arten Osphromenus, Ophiocephalus und Betta ausgedehnt, um sich der These ihres Lehrers anzuschliessen. Es sind die Herren Stud. rer. nat. Schachmagonow und Grigorian.

Soweit die vorhandene Litteratur über die Labyrintfische.

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Disposition meiner Arbeit

Wir ersehen aus dieser Übersicht, dass besonders v. Zograff's Ergebnisse wohl geeignet sind, neues Interesse für weitere Untersuchungen zu wecken.

Um die Frage lösen zu können, ob wir es bei den Labyrintfischen mit einem Respirationsapparat oder nur mit einem Wasserreservoir zu tun haben, dürften besonders noch physiologische Versuche mit lebenden Labyrintfischen, Gefässinjektionen und histiologische Untersuchungen geboten erscheinen, worin ich meine Aufgabe erkennen will. Dabei dürfte es sich zeigen, ob Hyrtl mit Recht die Ophiocephalen von den Labyrintfischen trennt. Um auch die Frage hinsichtlich der oberen Schlundknochen zu prüfen, will ich zum Schluss die Kiemenpräparate noch für diese Zwecke benützen.

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Physiologische Versuche

Naturgemäss beginne ich mit den physiologischen Experimenten der lebenden Labyrintfische für welche ich folgende Exemplare besass:

[ ... ]

Wir kommen zum letzten Paar meiner Sammlung lebender Labyrintfische, zu Ophiocephalus punctatus und B etta p u g n a x. Es sind allerdings nur kleinere Exemplare von 6-8 cm Grösse, weshalb ich sie auch gemeinsam, zunächst in reinem Wasser, beobachtet habe. Die Ophiocephalen sind im Allgemeinen cylindrisch gebaute Fische mit deutlich horizontal abgeplattetem Kopf und breiter Mundspalte. Im Maul befinden sich oben wie unten scharfe, spitze Zähne. Sie werden über zwei Fuss lang und haben eine lange Rücken- und Analflosse und eine unterbrochene Seitenlinie. Betta ist ein dunkles Fischchen mit einer charakteristischen, auf der Mitte des Rückens schmal angesetzten, lang abstehenden Rückenflosse, die im Wasser segalartig aufgerichtet ist und einer längs des ganzen Bauches sich hinziehenden Analflosse. Beide Fische bedürfen wie die Macropoden und die anderen Arten zu ihrer Existenz der atmosphärischen Luft. Entzieht man ihnen diese, so geraten sie in grosse Unruhe und Atemnot. Sie gehen beide in der Ruhe regelmässig luftatmend an die Oberfläche des Wassers Ophiocephalus scheint hierfür ein etwas grösseres Bedürfnis zu haben, er geht etwas häufiger Luft schnappen und gerät bei dem Experiment mit der Glasplatte früher und heftiger in Atemnot. An der Luft hielt ich beide stundenlang.

Obwohl, wie schon erwähnt, die Ophiocephalen wegen ihres allerdings von den Labyrintfischen abweichenden äusseren Baues vielfach nicht zu diesen gerechnet werden, so haben sie, wie wir sahen, biologisch doch viel Ähnlichkeit mit ihnen. Dobson hat Ophiocephalen 16 Stunden ohne Wasser gehalten. Günther berichtet, sie haben die Fähigkeit, auf dem Trocknen zu leben oder in halb nassem Schlamm, aus dem sie an die Oberfläche hervorkommen, um Luft zu holen.

Fassen wir nunmehr die physiologischen Befunde bei unseren Fischen kurz zusammen, so ist durch sie bewiesen, dass bei den Labyrintfischen einschliesslich der Ophiocephalen die Kiemen dem Atmungsbedürfnis nicht mehr genügen, dass all diese Fische vielmehr der Luftatmung bedürfen. In reinem, frischem Wasser gehen sie bei Luftabschluss bald zu Grunde. Indem aber die Kiemen nicht mehr ausreichen, und die Luftatmung, zu der sie doch nun einmal verurteilt sind, überhaupt eine viel vorteilhaftere Atmung ist, als es sich im Wasser doch nur um verteilte Luft handelt so ziehen die Fische auch für den gewöhnlichen Bedarf der Kiemenatmung die Luftatmung vor.

Für die letztere müssen sich mithin Organe ausgebildet haben, in denen dieselbe vor sich gehen kann. Warum die Wasseratmung dem Atmungsbedürfnis nicht mehr genügen kann, und wie die neuen Organe, die accessorischen Kiemenorgane, beschaffen sind, darüber sollen uns die anatomischen Untersuchungen belehren.

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Anatomische Untersuchungen

Was in der Litteratur über die anatomischen Lagerungsverhältnisse bei den Labyrintici existiert, ist nicht viel und zum Teil sehr veraltet und unvollkommen. Cuvier ist bis heute noch der Einzige, der das accessorische Kiemenorgan bei den einzelnen Arten beschrieben hat, worauf eben die späteren Autoren immer zurückgriffen, obwohl die Angaben nur spärlich und die Abbildungen veraltet sind. Es erschien mir daher erforderlich, die accessorischen Organe bei den einzelnen Labyrintfischen von neuem zu betrachten und zu beschreiben und dieses durch neue Zeichnungen zu ergänzen. Wie sehr sich diese Arbeit gelohnt hat, werden wir bald erkennen.

Eine allgemeine Charakteristik der Labyrintfische habe ich schon gegeben, wir werden es hier daher vornehmlich mit der Kiemenhöhle und ihrer Anhänge zu tun haben. Diese Organe wollen wir genauer untersuchen. [ ... ]

Ich komme zum letzten Exemplar meiner Sammlung, zu Ophiocephalus. Es ist zwar in Formol konserviert, aber dafür in stattlicher Grösse. Die Länge beträgt 21 cm. Wie wir oben gesehen haben, werden die Ophiocephalen wegen ihres anderen Baues nicht zu den Labyrintfischen gerechnet. Biologisch aber haben sie doch Ähnlichkeit mit ihnen, weil sie auch der Luftatmung bedürfen, wie die Experimente von Day und mir beweisen. Ich könnte noch Folgendes hinzufügen. Dr. W. Volz berichtet in seiner Arbeit über Fische von Sumatra neuerdings von den Ophiocephalen: «Sie werden entweder in Körben ohne Wasser oder in Kisten mit schmutzigem Wasser zu hunderten bei einander gehalten. Auf den Schiffen trifft man Händler, welche die Fische im Grossen lebend überführen, ohne das Wasser zu erneuern.»

Wir wollen nun untersuchen. wie weit der Bau der Kiemenhöhle derjenigen der eigentlichen Labyrintfische gleicht. Da sehen wir schon beim Abheben des Kiemendeckels auffallend Ähnliches in den nur sehr schwach entwickelten Kiemenblättchen. Dieselben haben bei dem 21 cm grossen Exemplar nur eine Länge von 3 mm in der Mitte des Bogens. Die Kiemenspalten sind überaus eng bezw. klein. Es sind 3 Kiemenbögen vorhanden, und das Rudiment eines vierten ist nur schwer zu erkennen. Ein engbegrenzter Eingang zur Labyrinthöhle ist nicht vorhanden, der durch ein dünnes Häutchen, wie bei den Labyrintfischen meistens, verschlossen wäre. Dagegen sieht man bei forciertem Abheben des Kiemendeckels oder besser bei weitgeöffnetem Maul in der Rachenwand oberhalb der bezahnten Schlundknochen grosse spaltförmige Öffnungen, wie Figur 5 zeigt. Es sind ihrer ungefähr drei, gebildet durch zwei Schleimhautfalten, die von der äusseren bezw. inneren Seite (Medianlinie) des Kopfes her in das lumen der Höhle hineinragen. Bei genauerer Untersuchung erweisen sich diese Falten als der Grund bezw. Querschnitt von zwei durch die ganze Höhle vertical aufgerichteten Wänden, deren eine also von der äusseren, die andere von der inneren Seite herkommt und weit in das lumen der Höhle hineinragen so, dass diese in verschiedene mit einander communicierende Kammern geteilt wird. Die hintere, die von der Aussenwand entspringende, Lamelle hat knöcherne Grundlage und geht oben in einen dünnen Fortsatz aus. Sie bildet das obere Ende des ersten Kiemenbogens, das in dieser Weise bei Ophiocephalus Verwendung findet. Ein blätteriges Labyrintorgan ist hier nicht vorhanden. Wenn man bei Ophiocephalus von einem Labyrint reden will, so kann nur die gekammerte Höhle gemeint sein, und das Organ besteht eben aus den beiden Scheidewänden. Hier liegen eben in der Beziehung noch sehr einfache Verhältnisse vor. Trotzdem aber wird vermutlich in dieser Höhle der Gasaustausch stattfinden, wenn auch die Oberfläche der Höhle noch nicht in so auffallender Weise vergrössert ist, wie bei den eigentlichen Labyrintfischen. Die Höhle, welche im Übrigen bis zum Schultergürtel reicht, ist nämlich ausgekleidet mit einer dicken , runzeligen, blutreichen Schleimhaut, von welcher auch die Scheidewände überzogen sind. In der Schleimhaut, deren feineren, histiologischen Bau wir später kennen lernen werden, sieht man schon mit blossem Auge viel Gefässe hinziehen.

Fragen wir uns nun rückblickend, was die Labyrintfischen einschliesslich der Ophiocephalen, im Bau der Kiemenhöhle gemei sam Eigentümliches haben, so ist das Erste, dass während die Teleostier für gewöhnlich doch 5 Kiemenbögen besitzen, bei unserer Familie die Kiemen 5 - 7 schon auf 3 reduziert sind, wie bei Anabas, Polyacantus und Ophiocephalus tatsächlich nur 3 funktionsfähige Kiemen vorhanden sind. Bei weitem auffälliger aber ist, dass dabei noch die funktionellen Kiemen teilweise rückgebildet sind, wie es ebenfalls bei Anabas, Polyacantus und Ophiocephalus deutlich in die Erscheinung tritt. Das letzte Factum ist ein Beweis dafür, dass die Kiemen nur wenig in Gebrauch treten. Entsprechend finden wir bei allen untersuchten Fischen eine accessorische Kiemenhöhle, welche ausgekleidet ist mit einer weichen, von Gefässen durchzogenen Schleimhaut, und ferner bei den Meisten ein mehr oder weniger ausgebildetes Gerüst dünner durchscheinender Blätter.

Wir vermuten in diesen Organen einen mit der Rückbildung der Kiemen entstandenen, compensatorischen Atmungsapparat. Für diese Frage ist es wichtig, die Gefässverteilung und den histiologischen Bau der Organe kennen zu lernen. Man sieht schon mit blossem Auge auf den Blättern und auch auf der Wandung der accessorischen Höhle Gefässe sich verzweigen. Doch kann man nicht erkennen, woher sie kommen und wohin sie gehen. Dies zu untersuchen, machte ich bei einigen meiner frischen Exemplare, die ich mit Chloroform abgetötet hatte, vom Herzen aus ,

Wir vermuten in diesen Organen einen mit der Rückbildung der Kiemen entstandenen, compensatorischen Atmungsapparat. Für diese Frage ist es wichtig, die Gefässverteilung und den histiologischen Bau der Organe kennen zu lernen. Man sieht schon mit blossem Auge auf den Blättern und auch auf der Wandung der accessorischen Höhle Gefässe sich verzweigen. Doch kann man nicht erkennen, woher sie kommen und wohin sie gehen. Dies zu untersuchen, machte ich bei einigen meiner frischen Exemplare, die ich mit Chloroform abgetötet hatte, vom Herzen aus, Gefässinjektionen mit flüssiger Carmingelatine, die ich nach Ranvier bereitete. Wirklich gelungen ist mir trotz der vielen Mühen aber nur eine Injektion bei Anabas scandens, der für diese Zwecke wenigstens die genügende Grösse besass. Sämtliche Kiemenblättchen waren prall gefüllt und schön gefärbt, sodass ich eine sorgfältige Präparation der Gefässe vornahm. Dabei fand ich, dass der erste und dritte Kiemenbogen zwei kräftige Gefässstämme bilden, die mit dem Labyrintapparat in Beziehungen treten. Das Gefäss des ersten Kiemenbogens steigt, nachdem es die Kiemenblättchen gespeist hat, direkt aufwärts, um sich nur in dem Blättergerüst zu verzweigen. Das Gefäss des dritten Kiemenbogens teilt sich, nachdem es die Kiemen mit Blut versorgt hat, in zwei Äste, von denen der stärkere sich in der Scheimhaut der accessorischen Höhle verliert und der andere im Bogen zur Rückenaorta verläuft. Das Gefäss des zweiten Kiemenbogens tritt weniger in die Erscheinung. Ich glaube seine Verzweigungen in der Labyrintwand erkannt zu haben. Jedenfalls geht es nicht zur Rückenaorta. In diese geht unmittelbar nur ein Teil der dritten Kiemenarterie. Leider konnte ich ob der kleinen Verhältnisse nicht erkennen, in welchen Gefässen das aus dem Labyrintapparat sich sammelnde Blut wieder in die Erscheinung tritt. Soviel allerdings steht fest, dass fast das ganze vom Herzen kommende Blut, nachdem es die verkümmerten Kiemen durchströmt hat, den Labyrintapparat mit Wandung passieren muss, ehe es sich, zur Rückenaorta oder Carotis, wieder sammelt.

Nachdem wir soweit die macroscopische Anatomie der Kiemenhöhle und ihrer Anhänge kennen gelernt haben, wollen wir noch das nackte Kiemengerüst betrachten, um das Verhältnis der einzelnen Bogenstücke zu einander zu ermitteln und vor allem uns Gewissheit zu verschaffen, von welchen Teilen speziell der Labyrintapparat jeweilen entspringt. Nachdem ich den einzelnen Objekten geeignete Gewebsteile zwecks microscopischer Untersuchung entnommen hatte, gewann ich während der Zubereitung dieser Teile Zeit, das Kiemengerüst zu studieren, welchen Befund ich deshalb auch an dieser Stelle wiedergeben möchte, um mit den grobanatomischen Verhältnissen abschliessen zu können.

Zu diesem Zweck löste ich bei den einzelnen Fischen die Kiemengerüste von ihrer Umgebung und nahm sie aus ihren Verbindungen ganz heraus, befreite sie dann mit Messer und Schere möglichst von ihren Weichteilen und legte sie zwecks Maceration in eine verdünnte Lösung von Eau de Javelle. Ungefähr nach 1-2 Stunden nahm ich die Präparate im geeigneten Moment wieder heraus, wenn ich die einzelnen Bogenglieder erkennen konnte. Nachdem weiter die Präparate kurze Zeit in Xylol gelegen hatten, wodurch sie erst recht durchscheinend wurden, konnte ich die einzelnen Umbildungen an den Knochen gut übersehen. Dass die oberen Schlundknochen, mit einer Ausnahme zwar, bei unseren Labyrintfischen vorhanden und mit Zähnen besetzt sind, haben wir gesehen, und hat auch Peters betont, womit er die Cuvier'sche Auffassung wiederlegte, die accessorischen Organe der Labyrintfische seien die umgewandelten oberen Schlundknochen. Bei Helostoma sind keine oberen und unteren Schlundknochen vorhanden in Form von bezahnten Platten, die hier auch nicht hätten zur Wirkung kommen können wegen der vielen weit nach hinten reichenden Falten. Wenn bei Helostoma in der oberen Pharynxwand Knochenstücke eingelagert sind, so sind es die oberen Bogenstücke der letzten drei Kiemenbögen. Bei allen anderen Labyrintfischen aber haben sich, wie ich sehe, diese ossa pharyngobranchialia jederseits zu einer bezahnten Platte vereinigt, die ihrerseits wieder mit der entsprechenden sich verbindet. Insofern nur nehmen die Labyrintici unter den Teleostiern eine Sonderstellung ein, als nicht auch der erste Kiemenbogen sich an der Bildung dieser Schlundknochen beteiligt. Bei allen unsern Fischen ausnahmslos ist das sonst nach vorn umgeknickte obere Stück des ersten Kiemenbogens in eine für den Ansatz der accessorischen Bronchialblätter bestimmte Stützlamelle umgebildet. Bei Anabas ist in ähnlicher Weise schon das obere Stück des zweiten Kiemenbogens zu Gunsten des accessorischen Kiemenapparates beteigt.

Auf Grund dieser Verhältnisse können wir nicht wie Cuvier allgemein von einer Umwandelung der oberen Schlundknochen reden, weil letztere ja tatsächlich vorhanden sind. Insofern könnte Cuvier zwar Recht behalten, als es sich in der Tat um Teile der sonst die oberen Schlundknochen mitbildenden Knochenstücke handelt, die hier im Aufbau der accessorischen Kiemenorgane Verwendung finden. Diesen Vorgang finden wir ja gerade beim Kiemengerüst häufig, wo mit der Rückbildung der Kiemen Skeletteile frei werden und in neue Funktion treten.

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Histiologischer Teil

Wir sahen, dass bei allen unsern Labyrintfischen der accessorische Kiemenapparat aus glasig durchscheinenden Blättern besteht, die zwar jeweilen verschieden aufgebaut, aber für das Auge von ganz gleicher Struktur sind, so dass man sie, einzeln abgelöst, nicht unterscheiden könnte. Die gleiche Struktur erkennt man schon besser, wenn man von den einzelnen Fischen Blätter ablöst und dieselben, wie sie sind oder nachdem sie einige Minuten in Hämalaunlösung gelegen haben, unter das Microscop legt. Man sieht dann bei allen dasselbe, nämlich bei starker Vergrösserung eine Menge von Capillaren und Blutkörperchen, die jedes andere Gewebe in den Hintergrund treten lässt. Ebenso setzt sich die Wand der accessorischen Höhle bei den meisten Labyrintfischen aus zwei Häuten zusammen, aus einer atlasglänzenden äusseren, die dem Knochen aufliegt oder bei Helostoma die äussere. Wand der Säcke darstellt und, einer immer vorhandenen dunkleren Schleimhaut, die jedesmal die Höhle innen austapeziert. Schon ohne Färbung erkennt man mit dem Microscop, dass die äussere Hülle aus fibröselastischen und glatten Muskelfasern besteht, während die innere eine zarte, aber blutgefüllte Schleimhaut darstellt.

Während dies allen Fischen gemeinsam ist, sodass ich einige meiner zahlreichen Fische herausgreifen kann, um auch durch mikroskopische Schnitte die Bedeutung der accessorischen Kiemenorgane zu erschliessen, fand ich bei Helostoma eine besondere Eigentümlichkeit in den Kiemenfalten, über deren Funktion uns auch nur erst das Microscop Aufschluss geben kann.

Ehe ich mit diesem Abschnitt beginne, will ich über die Anfertigung der Präparate ein kurzes Wort reden. Die Gewebsteile waren entnommen teils frisch abgetöteten, teils in Formol konservierten Fischen. Die frischen Gewebe fixierte und härtete ich in aufsteigendem Alkohol. Die Färbung bestand in Hämalaun-Eosin. Es war teils Stück- teils Schnittfärbung. Die Einbettung war die mit Paraffin übliche.

Mittelst dieser Methoden fertigte ich folgende Präparate an, deren microscopisches Bild ich hinten wiedergegeben habe.

  1. Querschnitt durch ein Blatt des accessorischen Kiemen apparates von Macropus.
  2. Querschnitt durch ein Blatt von Helostoma
  3. Querschnitt durch ein solches von Polyacanthus.
  4. Querschnitt durch die Schleimhaut der accessorischen Kiemenhöhle bei Macropus.
  5. Querschnitt durch die betreffende Schleimhaut bei Helostoma.
  6. Querschnitt durch diejenige von Ophiocephalus.
  7. Verticaler Längsschnitt durch eine der Kiemenfalten von Helostoma.
  8. Horizontaler Längsschnitt durch dieselbe.
  9. Querschnitt durch dieselbe.

Bezüglich der ersten drei Präparate bezw. der Struktur der Blätter kann ich mich kurz fassen, indem dieselbe bei allen Dreien das völlig gleiche Bild bietet, wie die makroskopische Gleichheit vermuten liess. Ich verweise auf Figur 9. Der Querschnitt zeigt Folgendes. In der Mitte hat die Lamelle eine feine, knöcherne Stütze, worauf die spröde, harte Konsistenz der Blätter zurückzuführen ist. Das Periost geht über in derbes Bindegewebe, welches nach der Oberfläche immer lockerer wird und zahlreich durchschnittene Blutgefässe aufweist. Ganz scharf abgesetzt folgt hierauf eine sehr breite Schicht von respiratorischen Capillaren, die so vollgepfropft sind mit Blutkörperchen, dass das Parenchym ganz in den Hintergrund tritt. Dieser blut- Lind saftreichen Schicht ist nach Aussen aufgelagert ein dünnes, einschichtiges Epithel. Dies ist die charakteristische Struktur der Blätter, wie sie sich bei den anderen Labyrintfischen immer wieder findet.

Zweifellos haben wir es hier physiologisch mit einer Atmungsfunktion dieser Organe zu tun. Es tritt hier das Blut mit ungezählten Blutkörperchen an die äusserste Oberfläche, um, nur durch einen einschichtigen Epithelbelag mit der Mundhöhle in Berührung, den Gasaustausch zwischen 0 und CO, zu vermitteln.

Die Wandhüllen der Labyrinthöhle studierte ich bei Macropus, Helostoma und Ophiocephalus. Uns interessiert besonders die innere derselben. Bei Macropus zeigt dieselbe auf dem Querschnitt im Microscop folgendes Bild, wie wir es Figur 10 abgebildet sehen. Zu unterst liegt Bindegewebe in festeren straffen Zügen, darauf folgt eine breite Lage lockeren Bindegewebes mit viel quer und längs durchschnittenen Blutgefässen, besonders kleineren, die das Blut nach der Peripherie in das eigentliche Stratum mucosae führen. Hier lösen sich die Blutgefässe ganz in Capillaren auf, die vollgepfropft sind mit roten Blutkörperchen. Letztere sind in so erdrückender Zahl vorhanden, dass die Gerüstsubstanz ganz verschwindet. Aussen haben wir einen ganz dünnen Belag von Epithel. Ganz denselben Charakter zeigt die Schleimhaut von Helostoma, und ein last noch instruktiveres Bild bietet die Schleimhaut der accessorischen Höhle von Ophiocephalus. Wir erkennen hier die Funktion einer Atmung noch deutlicher, denn die Zone der roten Blutkörperchen ist hier noch breiter und hebt sich scharf von der lockeren Bindegewebsunterlage, in der die Gefässe verlaufen, ab. An der äussersten Oberfläche unter dem Epithel sehen wir ausserdem hie und da helle, becherförmige Zellen, Drüsenzellen, welche einen die Oberfläche befeuchtenden Schleim absondern werden. In Letzterem können wir auch ein Moment erblicken, das speziell für eine stattfindende Luftatmung spräche.

Nachdem wir solcher Gestalt den accessorischen Kiemenapparat betrachtet haben, ist es noch unsere Aufgabe, die eigentümlichen Falten zu untersuchen, die wir in der Mundhöhle von Helostoma antreffen. Ich habe dreierlei Schnitte durch eine solche Falte gelegt. Zunächst habe ich dieselbe der Länge nach horizontal geschnitten und erhielt Bilder, wie uns bei starker Vergrösserung Figur 7 zeigt. Dann habe ich Schnitte durch die Falte in vertikaler Länge gelegt, die in Figur 8 wiedergegeben sind, und endlich Querschnitte. Die Figuren stellen natürlich nur ein engbegrenztes Feld dar, doch können wir die Verhältnisse gut übersehen. Bei Betrachtung des horizontalen Schnittes fällt uns zunächst die unendliche Zahl von Blutkörperchen auf, mit denen das ganze Gesichtsfeld überschwemmt ist. Wo nur Gewebe sich befindet, ist dieses mit Capillaren angefüllt. Es befinden sich aber auch allenthalben eine Unmenge von regelmässig und unregelmässig gebauten Hohlräumen, die von lockerem Bindegewebe umschlossen sind. Das so einerseits mit zahllosen Blutkörperchen, anderseits mit vielen Hohlräumen erfüllte zarte Gewebe erhält Stützen durch feste, straffe Bindegewebswände, die in bestimmten Abständen von einander die Falte quer durchziehen. Sie sind, wie auch aus der Figur ersichtlich, verschieden lang und gehen bei weitem nicht alle bis hinüber zur anderen Seite der Falte, sodass keine eigentlichen Kammern entstehen, sondern reichliche Kommunikation bleibt. Der Bindegewebswände sind also am Rande oder in der Figur oben bei weitem mehr als in der Mitte oder in der Figur unten. Sie liegen am Rande ziemlich dicht bei einander und haben jede gewissermassen eine Mütze auf, die aus mehrschichtigem Epithel gebildet ist. Zwischen diesen Epithelmützen befindet sich dann eine offene Kommunikation des Inneren der Falte mit der Mundhöhle. Am Grunde der Mützen sehen wir Flimmerepithel mit langen Wimpern. Wir gewinnen die Überzeugung, dass, unterstützt durch die Flimmerbewegung, Wasser aus der Mundhöhle durch die feinen Öffnungen in das Innere der Falten einströmt, alle Hohlräume erfüllt und nach der Kiemenhöhle durch die früher schon beschriebenen porösen Öffnungen wieder abfliesst. Im Innern tritt das Wasser allenthalben in engste Berührung mit den Blutkörperchen, die zweifellos hier einen Gasaustausch bewirken, sodass wir in den Falten Atmungsorgane erkennen, die wie die Kiemen speziell für die Wasseratmung eingerichtet sind. Diese Überzeugung wird zur Gewissheit, wenn wir einen Querschnitt durch eine Falte oder besser noch einen vertikalen Längsschnitt durch dieselbe betrachten, wie ihn Figur 8 naturgetreu wiedergibt. Da sehen wir bei schwacher Vergrösserung ein wunderbar regelmässig gebautes Maschenwerk mit zahllosen Blutkörperchen, welches ebenso regelmässige Hohlräume zwischen sich lässt, die ihrerseits wieder in der Mitte einen Komplex von Blutkapillaren beherbergen. Einen nicht weniger regelmässigen Bau, wobei das durchströmende Wasser in offenen Strassen mit zahllosen Blutkörperchen in enge Berührung kommt, sehen wir auf einem Falten-Querschnitt.

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Ergebnisse aller Untersuchungen

Indem wir hiermit die Untersuchungen abschliessen, wollen wir, ihre Ergebnisse zusammenfassend, die Hauptfrage von allen behandeln. Welchem Zweck dient das mehr oder weniger komplizierte Labyrint bei den Labyrintici und Ophiocephalen ? Nach Cuvier sollte es ein Wasserreservoir bilden, das die Kiemen eine Zeit lang feucht erhält, wenn die Fische auf dem Trocknen sich befinden. Diese Ansicht ist schon zur Genüge wiederlegt worden. Hyrtl hat bei verschiedenen Labyrintfischen die Scheitelbeine durchbohrt und mittelst eines Tubus die Labyrinthöhle mit Wasser gefüllt, indem er auf guten Schltiss der Kiemendeckel achtete. Solange dieser vorhanden ist, bleibt das Wasser zurück. Man braucht aber nur eine feine Nadel unter einen Kiemendeckel zu bringen, und alles Wasser fliesst aus. Zograff hat in ähnlicher Weise gezeigt, dass die Lamellen kein Wasser zwischen sich zu behalten vermögen, wie Cuvier annahm. Dieser Gedanke könnte überhaupt nur für den komplizierteren Apparat von Helostoma und Anabas in betracht kommen. Bei den einfach gebauten von Polyacantus, Macroptis, Betta und Ophiocephalus ist die Möglichkeit des Zurückbehaltens von Wasser a priori ausgeschlossen, ebenso bei dem jugendlicher Individuen. Für ein Wasserreservoir würde auch der Verschluss nach der Mundhöhle durch das löffelförmige Häutchen nicht genügen können. Überhaupt wäre der Vorrat an Wasser in der Labyrinthöhle bei den meisten Fischen zu gering, um die Kiemen längere Zeit feucht erhalten zu können. Die mikroskopischen Befunde geben den fraglichen Organen höhere Bedeutung als nur die eines Wasserbehälters. Wir können auf Grund des übergrossen Gefäss- und Capillarreichtums gerade in den oberflächlichsten Gewebslagen der accessorischen Organe mit Sicherheit schon die Funktion einer Atmung erkennen, sie sei Wasser- oder Luftatmung. Dass die Organe nur der Wasseratmung dienen sollen, können wir nicht annehmen, weil die Natur dann zur Unterstützung der Kiemen die Atmungsoberfläche wohl in vollkommenerer Weise vergrössert haben würde, wie sie es getan hat, bei Helostoma durch die wunderbar aufgebauten Falten in der Mundhöhle. Dass aber auch eine solche accessorische Wasserrespiration unseren accessorischen Atmungsapparat nicht entbehrlich macht, sehen wir gerade bei Helostoma. Wenn wir uns erinnern, dass die Macropoden in China in Gräben und Pfützen zwischen den Garten- und Plantagenbeeten leben, von denen der grösste Teil zur heissen Jahreszeit ganz austrocknet, dass Osphromenus und Anabas zu dieser Jahreszeit in den Schlamm sich eingraben und dass Anabas aus einem Wasserbehälter in den anderen überzusiedeln im Stande ist, so kann hier von einer Ausnützung des Wassers nicht mehr die Rede sein. Doch wozu noch diese Erwägungen? Haben wir doch in den physiologischen Experimenten die schlagendsten Beweise, dass wir es bei den Labyrintici wie bei den Ophiocephalen nur mit einem Luft respirierenden Organ zu tun haben können, und finden in dem anatomischen und histiologischen Bau desselben jede Unterstützung. Der Apparat ist wie bei allen Fischen so eingerichtet, dass die Luft mit Leichtigkeit vom Mund aus in die Atmungshöhle gelangt, und gleichzeitig die verbrauchte Luft vom hinteren Opercularrand entweichen kann. Damit aber nicht etwa die ganze aufgespeicherte Luft ausströmt, befindet sich am Eingang zur Höhle das löffelförmige dünne Häutchen, wie wir es bei Osphromenus z. B. in Figur 3 sehen.

Eine bemerkenswerte Tatsache ist es, dass die accessorischen Kiemenorgane unter den Fischen im Allgemeinen gerade vielen Schlammbewohnern zukommen wie Clarias, Citharinus, Saccobranchus etc. Solche sind aber auch unsere Labyrintfische. Wir haben selbst konstatiert, dass Macropoden und Anabas in Monate altem, schlammigem Wasser sich wochenlang wohlfühlten. Indem ich bei den Formolpräparaten den Nahrungskanal untersuchte, fand ich denselben von aussergewöhnlicher Länge und, besonders den Magen, vollgepfropft mit schmutziger Erde. Die microscopische Untersuchung ergab, dass dieselbe aus kleinen Gesteinsfragmenten und dunklen Detritusmassen bestand. Damit ist es zweifellos, dass auch die Labyrintfische Schlammbewohner sind. Es scheinen daher die accessorischen Kiemenorgane sich nur bei den Fischen auszubilden, die gezwungen sind in einem Medium zu leben, in dem die normale Kiemenrespiration nicht mehr dem physiologischen Atmungsbedürfnis genügen kann. Für diese nur temporär aushelfende Funktion der Organe spricht auch die Gefässversorgung derselben. Bei allen den genannten Fischen mit accessorischen Kiemenorganen erhalten die letzteren ihr Blut von den Kiemen, welches also unter normalen Verhältnissen arteriell sein müsste. Nicht anders haben wir es für Anabas nachgewiesen, wo das Organ fasst das ganze die Kiemen durchströmende Blut aufnimmt. Da kann die Funktion der Organe eben nur dann eine erfolgreiche sein, wenn dieselben für die vollkommenere Luftatmung eingerichtet sind. Während das Wasser nur 'einen geringen Prozentsatz an Sauerstoff besitzt, weil es sich in ihm nur um verteilte Luft handelt, besitzt die atmosphärische Luft einen Gehalt von 22 % Sauerstoff. Das umgekehrte gilt für den CO,-Gehalt. Im Wasser kann derselbe ausserordentlich hoch sein, während er in der Luft konstant nur 0,04 % beträgt. Für eine ganze Reihe der Fische mit accessorischen Bronchialorganen ist die Luftatmung auch schon längst nachgewiesen. Ich erinnere nur an Clarias, Citharinus, Saccobranchus u. a. Auch für die Labyrintfische ist nunmehr der Beweis einwandsfrei erbracht, dass die Organe der Luftatmung dienen, aber hier nicht nur temporär funktionieren, sondern vielmehr dauernd und allein die Atmung vollziehen, weil die Rückbildung der Kiemen schon soweit vorgeschritten ist, dass dieselben auch unter normalen Verhältnissen d. h. in reinem Wasser nicht mehr zur Atmung ausreichen, wie die physiologischen Experimente beweisen. Wir dürfen vermuten, dass es bei den Vorfahren der jetzt lebenden Labyrintici, die auch schon unter den bedingten Lebensverhältnissen standen, noch umgekehrt der Fall war, wo die Kiemen. atmung noch den gewöhnlichen Modus darstellte, und die eben sich entwickelnden accessorischen Organe nur temporär aushalfen. Da die Luftatmung unverhältnismässig vorteithafter ist, und diese Fische sogar befähigt, wenn auch anfangs nur ganz beschränkte Zeit ausserhalb ihres schlechten Mediums zu leben, so machten sie immer ergiebigeren Gebrauch von den Organen, während die Kiemen notwendigerweise sich allmählich rückbilden mussten, bis es eben zu den heutigen Verhältnissen gekommen ist, wo die Kiemen selbst auch in reinem Wasser nicht nur nicht mehr dem Atmungsbedürfnis genügen, sondern gegenüber der vorteilhafteren Luftatmung allmählich überflüssig werden und in unseren Experimenten nur noch der Unterstützung der behinderten Luftatmung herangezogen werden. Wir dürfen weiter vermuten, dass die Kiemen sich ganz zurückbilden werden, indem die accessorischen Bronchial-Organe immer vollkommener eingerichtet werden. Wir sehen heute schon bei den einzelnen Arten der Labyrintfische graduelle Unterschiede in der Ausbildung der Organe. Bei den Einen bildet der accessorische Bronchialapparat zur Hauptsache nur eine Höhle, bei Anderen ist er nur schwach entwickelt und bei wieder Anderen ist es zu stattlichen Organen gekommen, wie bei Anabas und besonders Helostoma, wo, wir sehen, nicht viel fehlte, um von einer Lunge zu reden.

Wir wissen, dass die Labyrintfische nicht die einzigen Schlammfische sind, die accessorische Atmungsorgane besitzen. Während aber bei den anderen Fischen es noch nicht zu einer siegreichen Konkurrenz mit den Kiemen gekommen ist, ist diese bei unserer Familie tatsächlich schon zu stande gekommen. Hier treten die accessorischen Organe schon last als Lungen in respiratorische Wirksamkeit und sind im Stande, wenn auch noch nicht ununterbrochen, das Geschäft der Atmung zu übernehmen. Ich erinnere an den Macropus, der elf Stunden an freier Luft lebte, nachdem ich ihm einen Teil aus dem Operculum herausgeschnitten hatte.

Wir wissen, dass die Labyrintfische nicht die einzigen Schlammfische sind, die accessorische Atmungsorgane besitzen. Während aber bei den anderen Fischen es noch nicht zu einer siegreichen Konkurrenz mit den Kiemen gekommen ist, ist diese bei unserer Familie tatsächlich schon zu stande gekommen. Hier treten die accessorischen Organe schon last als Lungen in respiratorische Wirksamkeit und sind im Stande, wenn auch noch nicht ununterbrochen, das Geschäft der Atmung zu übernehmen. Ich erinnere an den Macropus, der elf Stunden an freier Luft lebte, nachdem ich ihm einen Teil aus dem Operculum herausgeschnitten hatte.

So finden wir bei unserer Fischfamilie Zustände, wo zweierlei Organe für die Atmung bestehen, jedes in besonderer Weise eingerichtet, aber beide von verschiedenem Werte. Das höhere einmal angelegt, verdrängt das niedere allmählich, indem es selbst die volle Arbeitsleistung übernimmt.

Die accessorischen Kiemenorgane sind aber deshalb noch für uns vonbesondererWichtigkeit, weil sie unslehren, wie eine typisch gewordene Organisation sich nicht bloss in einfacher Aus- und Rückbildung bewegt, sondern in mancher Weise sich neue Bahnen zu brechen im stande ist.

Es ist gewöhnlich der hintere dorsale Teil der Kiemenhöhle, der bei den Fischen mit accessorischen Bronchialorganen die Stellen zu den Veränderungen abgibt, obschon die Organe selbst von dem verschiedensten Bau sind. Wir finden dieses in sofern natürlich, als die Teleostier allgemein 'die Gewohnheit haben, Luft zu schnappen, sobald das Wasser für die Respiration nicht mehr den nötigen Sauerstoff liefert. Die aufgenommene Luft kann ja nach dem Gesetz der Schwere und dein Bau der Mundhöhle nirgend wo anders hin, als oben in die Knickungsstelle der Kiemen, um hier von den feuchten Kiemenblättchen verbraucht zu werden. Dieser Umstand gibt sicher die Erklärung, dass gerade immer in dieser Region die accessorischen Kiemenorgane, so verschieden sie sind, sich ausbilden.

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Litteratur -Verzeichnis

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Footnotes

1 Ich bemerke, dass ich gleich Cuvier, Bleecker und anderen die Ophiocephalen hier mitbehandele, obwohl sie auf Grund ihres äusseren Baues, wie auch Günther systematisch nicht gut zu den Labyrintfischen gezählt werden können. siehe unten. Back

2 Peters, W. Das Kiemengerüst der Labyrintfische . Müller's Archiv für Anatomie und Physiologie. Berlin 1853. Back

3 Day F. Observations on some of the Freshwater Fishes of lndia . Proceeding of the Scientific Meetings of the Zoological Society of London. 1868. Back

4 Dobson, Notes on the Respiration of some species of Indien fresh-water Fishes. Proceedings of Zool. Soc. London. 1877. Back

Acknowledgement and Source(s)

The passages were publishes originally as parts of a doctoral thesis under the above title in Bern (Switzerland) in 1905.

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