Zucht des Schlangenkopfes Ophicephalus obscurus

Walter Armbrust

"Sind Schlangenköpfe für das Zimmeraquarium geeignet?". fragte Jürgen Grobe in DATZ 1956, Seite 169. Seine Antwort war nur bedingt positiv.

Schlangenköpfe sind für Becken, die man normalerweise mit Zimmeraquarien bezeichnet, zweifellos nicht recht geeignet, da ein Vergesellschaften mit kleinen Arten, wie Neon oder Keilfleckbarben, nur kurze Zeit dauern würde, denn dann wären die Schlangenköpfe wieder allein im Becken. Sie mit größeren Arten zusammen zu halten. etwa Cichliden. ist unzweckmäßig, da die Schlangenköpfe keine Ruhe vor den Cichliden finden würden. Sie lieben nämlich. trotz ihrer räuberischen Lebensweise, die Ruhe und Versteckmöglichkeiten. Bleibt also nur die Alleinhaltung. Da ein Zimmeraquarium ein Schmuckstück sein soll, auch für die Ehefrau und den Besuch, und man sich gern an dem munteren Treiben der Fische erfreuen möchte, sind Schlangenköpfe nicht der richtige Besatz. Hinzu kommt, daß die Fische, da sie doch recht groß werden können, trotz ihrer ruhigen Lebensweise ein verhältnismäßig großes Becken benötigen.

Wer allerdings lieber einen besonderen Fisch pflegen möchte, um etwas zu erleben, und sich nicht nur an Schönheit und buntem Gewimmel erfreut, der soll es ruhig einmal mit Schlangenköpfen versuchen, denn schön sind sie auch. So gesehen kann man J. Grobes Frage auch ruhig mit "ja" beantworten, denn außer dem Beschaffen der Futtermengen stellen sie uns nicht vor besondere Probleme.

Ich bin in der glücklichen Lage, eine Anzahl von Becken in einem besonders dafür eingerichteten Raum aufstellen zu können. Da kann ich auch einmal ein 400-Liter-Becken mit nur 2 Fischen besetzen und darauf warten, daß sie mehr von ihren Eigenarten zeigen.

So erging es mir auch mit meinen Schlangenköpfen, die ich im Frühjahr 1962 von der Firma. Dr. Drögemüller, Hamburg, als etwa 6 cm große Jungtiere bekam. Anfangs waren sie natürlich in einem kleineren Becken untergebracht. Mit Daphnien, Mückenlarven, Tubifex, kleinen Guppys, später größeren Guppys und Regenwürrnern wuchsen sie gut heran. Ihr Appetit war gut und ihr Hunger kaum zu stillen. Im Dezember 1962, sie waren inzwischen etwa 15 cm groß geworden, zogen sie in das erwähnte 400-l-Becken, das vorher von einem Paar Astronotus ocellatus bewohnt gewesen war. Es begann eine saure Zeit, denn der Regenwurmvorrat war bald erschöpft, und Guppys waren in der erforderlichen Menge schwer zu beschaffen. Außerdem besitze ich nämlich noch ein Paar Flösselhechte von 35 cm Länge sowie 4 Blattfische. Sie alle haben Hunger auf Fisch. Durch den ungewohnt langen Winter wurde die Futterlage noch schwieriger, denn die roten Mückenlarven, die als Ersatz, wenn auch zögernd, aber doch gern, genommen wurden, blieben oft aus. Der Brot- bzw. Fischkorb wurde höher gehängt und die Zuteilungen rationiert. Man konnte sich nicht zum Platzen vollfressen, aber hungern mußte man auch nicht. Die beiden Schlangenköpfe vertrugen sich ausgezeichnet. Differenzen gab es nie. Über Aussehen und über die Lebensweise, besonders bei der Fütterung, verweise ich auf die entsprechenden Aufsätze in der DATZ.

Von Zeit zu Zeit wurde das größere Tier unruhig, schwamm in alle Ecken, die Scheiben auf und ab und wieder zum anderen Tier. Nach wenigen Tagen war alles wieder normal. Es bezog seinen Stammplatz hinter einer senkrecht stehenden Wurzel in der Aquarienecke und stellte sich mit dem Kopf nach unten dahinter.
O. obscurus, maleDas männliche Tier des O. obscurus Paares.
Das kleine Tier stand meist unter einem großen Stein. Beide kamen nur zum Luftholen oder zur Fütterung heraus. Angeregt durch die Aufsätze von Dr. Meyburg und Dr. Backhaus über Vitamine bzw. Jod in der DATZ sowie ihre Vorträge bei der VDA-Tagung in Hannover, besorgte ich mir mit Multibionta und Jod-Kalium zwei Präparate, mit denen ich experimentieren wollte. Nun muß ich vorausschicken, daß ich Techniker bin und von biochemischen Dingen keine Ahnung habe. Ich kann nur die Bitte aussprechen, daß die Fachleute auf dem Gebiet mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen, wie Dr. Meyburg und Dr. Backhaus, nicht hinter dem Berge halten und möglichst Angaben machen, mit denen der Aquarianer etwas anfangen kann. Es ist klar, daß sie uns kein Rezept geben können, das mit Sicherheit zum Erfolg führt, aber sie können sagen, womit man anfangen kann und was man auf alle Fälle unterlassen soll. Inzwischen hat Dr. Meyburg bei uns im Verein einen Vortrag über dieses Thema gehalten. Durch die anschließende Aussprache wurden doch rnanche Fragen beantwortet, die für einen Fachmann eine Selbstverständlichkeit sind, demLaien aber große Schwierigkeiten bereiten.
O. obscurus, femaleDas weibliche Tier des O. obscurus Paares.

Mit Multibionta fing ich an, und zwar tropfenweise. In dieser Zeit muß man die Becken besonders sorgfältig beobachten. Einen Tropfen Multibionta auf jeweils 50 Liter Aquarienwasser alle 10 Tage hat keine schädlichen Auswirkungen gezeigt. Höher bin ich mit den Zugaben auch nicht gegangen. In einem anderen Becken stellten sich nach den Vitamingaben Blaualgen ein; das Becken bekam sehr viel Tageslicht. Nach etwa 6 Wochen gab ich Jod-Kalium, das ich mir 1:100 verdünnt aus der Apotheke besorgte. Hiervon gab ich jeweils 1 Tropfen auf 100 1 Aquarienwasser. Den Grad der Verdünnung kann man kaum noch ausrechnen. So geringe Spuren genügen schon, um von den Fischen noch registriert zu werden. Nach wenigen Tagen wurde der "Große", er entpuppte sich später als Männchen, wieder unruhig, schwamm die Scheiben auf und ab und machte Pausen unter den Schwimmpflanzen, besonders unter den großen Blättern. Diese Unruhe legte sich bald, und er blieb fast ausschließlich unter den Schwimmpflanzen. Nur bei großer Beunruhigung schwamm er nochmals in Deckung. Äußerlich war er kaum noch wiederzuerkennen. Die braune Färbung war einem herrlichen Blau gewichen, die sonst dunkelbraunen Flecken waren tiefdunkel-stahlblau. Alle Flossen waren straff gespreizt. Die Spitzen der Strahlen an den Brustflossen waren silberweiß. Wenn das Weibchen in seine Nähe kam, zuckte er mit dem Kopf hin und her, als wenn er kurz und energisch "nein" sagen wollte.

Wohl hatte ich gelesen, daß Schlangenköpfe an der Oberfläche laichen und daß die Eier oben treiben, aber das war auch ziemlich alles. Da nicht sehr viele Schwimmpflanzen im Becken waren, gab ich noch Schwimmfarn hinzu, falls sie ein Nest bauen wollten. So verging über eine Woche, und nichts geschah. Da gab ich noch einen Tropfen Jod-Kalium ins Becken. Nach 2 Tagen endlich war es soweit. Beim Weibchen hatten die hellen Stellen in den Flossen jetzt ebenfalls blaue Farbe angenommen, aber nicht so stark wie beim Männchen. Die Spitzen der Brustflossen waren ebenfalls silberweiß. Die braunen Flecken am Körper bekamen ein sattes Dunkelbraun, das sich von dem beigefarbenen Untergrund wirkungsvoll abhob.

Mittags sah ich in das Becken und stellte fest, daß die Schlangenköpfe gelaicht hatten. Etwa 500 Eier trieben zwischen den Pflanzen an der Wasseroberfläche. Anfangs war in der Pflanzendecke eine freie Fläche von etwa 30 cm Durchmesser. Hier hatte das Laichen stattgefunden. In der Natur wird sich diese Pflanzenschicht wohl wieder schließen und damit die Eier verbergen. Immerhin bleiben sie aber doch soweit zusammen, daß sie vorn Männchen bewacht werden können. Die gelb gefärbten Eier sind etwas kleiner als Senfkörner. Beide Tiere standen unter der Oberfläche und bewachten den Laich.
Couple guarding the eggsAnfänglich bewacht das Paar das Gelege. Später übernimmt das Männchen die Brutpflege.
Wie und wann das Laichen vor sich gegangen war, habe ich nicht feststellen können, weil ich vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Da das Weibchen einige leichte Schäden an den Flossen aufwies, muß es beim Laichen allerdings nicht ganz so ruhig zugegangen sein.

Um das Verhalten der Elterntiere zu beobachten, ließ ich alles wie es war. Das Männchen schwamm manchmal mit gespreizten Kiemendeckeln auf das Weibchen zu, aber es drehte wieder ab, als wenn es sein Weibchen erst im letzten Augenblick erkannte. Alle Bewegungen waren ruhig und gemessen.

Nach 24 Stunden stellte ich bei den Eiern Verpilzungen fest, Da ich wenigstens einen kleinen Erfolg haben wollte, fing ich noch 35 Eier heraus, von denen 25 verpilzten und 2 trübe wurden. Nur aus 8 schlüpften nach weiteren 24 Stunden die Jungen. Man konnte an den großen Dotterkugeln die kleinen Schwänze kaum erkennen. Die Jungen trieben noch 3 Tage mit dem Bauch nach oben an der Oberfläche, erst dann drehten sie sich in die normale Schwimmlage. Sie besaßen noch einen kleinen Dottersack und versteckten sich gern unter Schwimmpflanzenblättern. Ihre Augen waren als kleine schwarze Punkte als erstes zu erkennen. Die erste Nahrungsaufnahme stellte ich nach einer Woche fest. Mit Mikro, Artemia und kleinen Cyclopsnauplien stand dem Wachstum nichts mehr im Wege. Die Nahrungsaufnahme geschieht ähnlich wie bei den Alten. Der Schwanz wird eingekrümmt, und dann, erfolgt der blitzschnelle Vorstoß.

Zwei weitere Laichabgaben konnte ich ebenf alls nicht beobachten. Sie fanden immer vormittags statt, wahrscheinlich 1 bis 2 Stunden nach Hellwerden. Die Eizahl erhöhte sich auf weit über 1000. Beim Abfischen der Eier war das Männchen sehr böse und biß in das Sieb oder den Finger. Erst als es merkte, daß es zwecklos ist, gab es auf und zog sich zurück. Das Weibchen ergriff gleich die Flucht. Vierzehn Tage nach der ersten Laichabgabe kamen wieder 4 Tropfen Jod, immer 1:100 verdünnt, ins Becken, und alles lief wie beim ersten Mal ab. Die Schwimmpflanzen hatten sich zum Teil aufgelöst. Die Ursache kann in der Zugabe von Jod bzw. Multibionta liegen, oder die abgegebenen Spermien sind schuld. Mir war früher bereits bei der Nachzucht von Hoplosternum thoracatum aufgefallen (siehe DATZ 1958, S. 97), daß sich die Pflanzen nach dem Laichen auflösten.

Bei der vierten Laichabgabe hatte ich endlich auch das Glück, die Paarung zu beobachten. Beide Partner schwammen im Kreis hintereinander her. Daher auch die freie Fläche in der Schwimmpflanzenschicht. Dabei wurden die Kreise immer enger, Dann schwamm das Männchen über den Rücken des Weibchens und legte sich in einem geschlossenen Ring um den langgestreckten Körper des Weibchens, wobei die Geschlechtsöffnungen genau nebeneinander lagen. Ähnlich machen es auch die übrigen Labyrinther. Sobald das Männchen den Ring geschlossen hatte, drehte sich das Weibchen mit dem es umschlingenden Männchen auf den Rücken, und die Laichabgabe erfolgte. Es sah aus, als wenn ein Boot kentert, denn dieses Umdrehen geschieht nicht durch Flossenbewegung. Ein Laichakt dauerte etwa 10-20 Sekunden, dann lösten sich die Partner, und nach einer kurzen Ruhepause ging es wieder los, für mich ein erfreulicher Anblick.

Leider fand dieses Laichen einen Tag vor einem kurzen Urlaub statt. Da ich meinen Aushilfspflegern mit der Brut keine besondere Arbeit aufbürden wollte, ließ ich alles so wie es war, und reiste ab. Nach einer Woche war ich wieder zurück und stellte fest, daß ca. 100 geschlüpfte Junge unter der Oberfläche saßen, genau im Winkel der Scheiben. Sie wurden vorn Männchen scharf bewacht. Das übel zugerichtete Weibchen hatte Bißwunden am Kopf und in den Seiten, die schon verpilzten. Jetzt wollte ich auch gern wissen, wie lange die Brutpflege dauert. Es war kaum eine Woche vergangen, da fing das Weibchen an, die Jungen zu fressen. Zwar wurde es anfangs noch vorn Männchen verjagt, aber bald war die ganze Brut verschwunden, denn der Schwarm hielt sich nicht mehr so in der Nähe des Männchens zusammen. Wenn man das Weibchen entfernt hätte, wäre es sicher nicht so schnell gegangen, aber ich wollte die Partner auch nicht trennen. Als alle Jungen verschwunden waren, herrschte wieder Eintracht und Frieden. Eine besondere Gattentreue ist anscheinend nicht vorhanden, denn außerhalb der Laichzeit interessieren sich beide kaum füreinander.

Die Eier sind lichtempfindlich und verpilzen sehr leicht. Geht ein Ei kaputt, bleibt auf der Wasseroberfläche ein Ölfleck zurück. Wenn die Jungen etwa 5 Wochen alt sind, nehmen sie schon einige Tage alte Guppys, nach 8 Wochen schon kleine Regenwürmer. Ihre Freßgier ist so groß, daß sie oft an den Beutetieren vorbeischießen. Sie nehmen sich keine Zeit zum richtigen Anpeilen. Das passiert den Alttieren auch, aber wahrscheinlich nur dann, wenn mehrere Tiere in einem Becken sind, denn da hört die Liebe unter den Ehegatten auf.

Sicherlich werden jetzt einige Leser gegen die "unnatürliche" chemische Behandlung der Fische sein. Ich glaube aber, daß die ganze Haltung im Aquarium schon unnatürlich ist. Das beweist, daß sich die meisten Fische in unseren Becken nicht ohne weiteres fortpflanzen. Als erstes entdeckte man, daß Härte und pH-Wert bei vielen Arten zum Zuchterfolg führten. Dasselbe läßt sich oft durch "natürliche" Hilfsmittel erreichen, wie Regenwasser und Torfansäuerung. Einigen Arten jedoch, besonders größeren, genügt auch das nicht. Wenn nun unsere Forscher feststellen, woran es liegen kann und uns Mittel in die Hand geben, um diesen Mangel zu beseitigen, so stellen wir damit ja nur einen unnatürlichen Zustand ab und schaffen unseren Fischen bessere Bedingungen, die sie ohne die Zusätze nicht hätten. Selbstverständlich muß alles sorgfältig, vorsichtig und gewissenhaft gemacht werden, denn umbringen wollen wir unsere Pfleglinge ja nicht.

Zusammenfassend möchte ich auch hier wieder sagen, daß die Alleinhaltung die wichtigste Voraussetzung ist, dann erst kommen die anderen Zutaten, wobei Schwimmpflanzen, Verstecke und Beckengröße genauso wichtig sind wie die chemischen Zusätze.

This article was originally published in DATZ 1963, pp. 298 - 301. Photos are by W. Armbrust. Thank you Mrs. Armbrust for kind permission.

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